Zusammenfassung des Urteils B 2017/251 und B 2017/253: Verwaltungsgericht
Die Beschwerdeführerinnen waren nicht am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt, da sie sich nicht am Präqualifikationsverfahren beteiligten. Es gilt der Grundsatz, dass auch diejenigen zur Beschwerde berechtigt sind, die ohne Verschulden daran gehindert waren, von Anfang an teilzunehmen. Die Vergabebehörde ist an die Ausschreibung und die Ausschreibungsunterlagen gebunden und darf bekanntgegebene Kriterien nicht nachträglich ändern. Die Vorinstanz hat Änderungen bezüglich der Auftragsanalyse und der Gewichtung der Zuschlagskriterien vorgenommen, um einen veränderten Anbieterkreis anzusprechen. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden wird gewährt, da die privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen am Aufschub des Zuschlags überwiegen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2017/251 und B 2017/253 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 21.12.2017 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid17. September 2015 E. 2 mit Hinweis auf BGer 2C_380/2014 vom 15. September 2014 |
Schlagwörter: | Beschwer; Verfahren; Anbieter; Vorinstanz; Angebot; Ausschreibung; Beschwerdeführerinnen; Vergabestelle; Zuschlag; Bundes; Verfahrens; Interessen; Grundsatz; Ingress; Kriterien; Vergabeverfahrens; Angebote; Verzicht; Phase; Bauaufgabe; Architektur; Zuschlags; Frist; Stellung; Möglichkeit; Anfang |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 134 I 159; |
Kommentar: | - |
Aufl. 2003, Rz. 404, Art. 89 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht,
Bundesgerichtsgesetz, SR 173.110, BGG; BGE 134 I 159 E. 1.1 und 1.3). Zumal die Vorinstanz keine Verpflichtung traf, die Ausschreibungsunterlagen im Sinn der Intervention des sia und des BSA zu ändern, kann den Beschwerdeführerinnen auch nicht vorgehalten werden, sie hätten sich bereits gegen die Ausschreibung zur Wehr setzen müssen.
Aus dem vergaberechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Anbieterinnen und Anbieter gemäss Art. 1 Abs. 3 Ingress und lit. b sowie Art. 11 Ingress und lit. a IVöB und insbesondere dem in Art. 1 Abs. 3 Ingress und lit. c IVöB verankerten Transparenzgebot ergibt sich die Bindung der Vergabebehörde an die Ausschreibung und die Ausschreibungsunterlagen. So ist es der Vergabebehörde untersagt, die den Anbietenden bekanntgegebenen Vergabekriterien nachträglich zu ändern. Wenn sie bekanntgegebene Kriterien ausser Acht lässt, ihre Bedeutungsfolge umstellt, andere Gewichtungen vornimmt Kriterien heranzieht, die sie nicht bekanntgegeben hat, handelt sie vergaberechtswidrig (vgl. BVGer B-4902/2013 vom
14. März 2014 E. 4.5 mit zahlreichen Hinweisen). Das Transparenzgebot verlangt, dass die im Voraus gemachten Angaben zu den Leistungsanforderungen zu den Beurteilungskriterien (so genannte „Spielregeln des Verfahrens“) von der Vergabestelle nur sehr bedingt einseitig abgeändert werden dürfen. Es schützt nicht nur die Anbieter, die effektiv ein Angebot eingereicht haben, sondern auch diejenigen potentiellen Anbieter, die ebenfalls ein Angebot eingereicht hätten, wenn die „Spielregeln“ denn von Anfang an so formuliert gewesen wären, wie die Vergabestelle sie aufgrund ihres nachträglichen Erkenntnisgewinns modifizieren möchte, welche aber aufgrund der veröffentlichten Anforderungen kein Angebot eingereicht haben. Mit Blick auf das Bedürfnis der Vergabestelle, einem Erkenntnisgewinn während des Vergabeverfahrens unter Wahrung gewisser Rahmenbedingungen auch anders als in Form eines Verfahrensabbruchs Rechnung zu tragen, können allenfalls nicht wesentliche Änderungen zulässig sein. Eine Änderung ist jedenfalls dann wesentlich, wenn anzunehmen ist, dass in Kenntnis dieser Änderungen weitere Angebote Angebote eines anderen Anbieterkreises eingereicht worden wären. Die Wesentlichkeit kann sich dabei nicht nur in einer Änderung des Leistungsumfangs, sondern je nach den Umständen auch aus einem Verzicht auf Eignungsanforderungen ergeben. Wäre es einer Vergabestelle freigestellt, Beurteilungskriterien nachträglich abzuändern und auf
publizierte Eignungskriterien teilweise zu verzichten, stünde es in ihrem Belieben, zuerst durch strenge Eignungskriterien die meisten potentiellen Anbieter abzuschrecken und nachher, nach Eingang der Angebote diese Kriterien zu reduzieren, um den Zuschlag einem bevorzugten Anbieter zu erteilen (vgl. BVGer B-4902/2013 vom 14. März 2014 E. 6.5 mit Hinweisen).
Im vorliegenden Verfahren hat die Vorinstanz bezogen auf die Phase 2 des zweistufigen Vergabeverfahrens (Honorarofferte) Änderungen bezüglich der Auftragsanalyse – Ergänzung mit einer These zur vertikalen Erschliessung – sowie der Gewichtung der Zuschlagskriterien – insbesondere Reduktion des Preises von 30 auf 20 Prozent und Erhöhung der Analyse der Bauaufgabe von 35 auf 60 Prozent – vorgenommen und das Beurteilungsgremium mit einem unabhängigen Fachexperten ergänzt. Damit hat sie auf eine Intervention des Sektion St. Gallen Appenzell des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (sia) und des Bundes Schweizer Architekten (BSA) vom
4. November 2017 reagiert (vgl. lit. I des Auszugs aus dem Protokoll der Sitzung Stadtrates vom 21. November 2017 zum Geschäft Nr. 2013-248, act. 7/1), mit welcher beanstandet wurde, die Ausschreibung mit den Ausschreibungsbedingungen vom
2. Oktober 2017 werde der Bedeutung des Kornhauses und der Komplexität der Bauaufgabe auf keinerlei Weise gerecht. Sie gewichte die Bewertungskriterien zur Wahl des geeignetsten Teams nicht im Sinn der SIA-Norm 144, und im Beurteilungsgremium seien die notwendigen Fachkompetenzen in Bezug auf Städtebau, Landschaft und Architektur in keiner Weise abgebildet und entsprächen nicht der Interdisziplinarität, die die Aufgabe erfordere. Die beiden Organisationen boten der Vorinstanz an, zusammen mit den Verantwortlichen des Stadtrates ein geeignetes Verfahren für die ausserordentlich interessante Bauaufgabe zu entwickeln (vgl. act. 3.4 im Verfahren B 2017/255).
Selbst wenn die Zuschlagskriterien für die Auswahl der Bewerber nicht von Bedeutung gewesen sein sollten und möglicherweise in der ersten Phase des selektiven Verfahrens nicht hätten publiziert werden müssen, waren sie aufgrund der tatsächlich erfolgten Publikation und der damit ausgelösten und vom Grundsatz von Treu und Glauben geschützten Erwartung doch geeignet, potentielle Anbieter wie die Beschwerdeführerinnen von einer Bewerbung abzuhalten.
Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung erscheinen die von der Vorinstanz vorgenommenen Änderungen geeignet, einen veränderten Anbieterkreis anzusprechen. Dementsprechend erscheinen die Beschwerden, mit welchen die Beschwerdeführerinnen geltend machen, bei Kenntnis der veränderten Bedingungen hätten sie sich ebenfalls um die Möglichkeit, ein Angebot einzureichen, beworben, als ausreichend begründet.
3.2. Der Gewährung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehende öffentliche Interessen – insbesondere Dringlichkeit des Vorhabens – macht die Vorinstanz angesichts der bald hundertjährigen gescheiterten Suche nach einer der Architektur und der Geschichte des Gebäudes angemessenen Nutzung (vgl. Ziff. 2.1 des Projektbeschriebs, act. 3/1 beziehungsweise 3/3) zu Recht nicht geltend.
Aufgrund dieser Umstände sind die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollstreckbarkeit geringer zu gewichten als die privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen am Aufschub des Zuschlags. Dem sinngemässen Gesuch der Beschwerdeführerinnen, es sei den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu erteilen, ist deshalb zu entsprechen. Die aufschiebende Wirkung kann wieder entzogen werden, wenn während des Verfahrens festgestellt wird, dass sich die Beschwerde als unbegründet erweist die Interessenabwägung neu vorzunehmen ist.
Die Vorinstanz erhält Gelegenheit, innert einer Frist bis 29. Januar 2018 (die Gerichtsferien gelten nicht) zur Beschwerde materiell Stellung zu nehmen, wobei nach unbenütztem Ablauf der Frist der Verzicht auf eine Stellungnahme angenommen würde.
Die Kosten dieser Verfügung sind bei der Hauptsache zu belassen.
Der Abteilungspräsident verfügt:
Das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wird gutgeheissen.
Der Vorinstanz wird die Fortsetzung des Vergabeverfahrens betreffend Architekturleistungen für den Umbau des Kornhauses (Ausschreibung Planerteam
Phase 2) bis zu einem anderslautenden Entscheid über die aufschiebende Wirkung beziehungsweise bis zum Entscheid des Gerichtes über die Beschwerde untersagt.
Die Vorinstanz wird eingeladen, bis 29. Januar 2018 materiell zur Beschwerde Stellung zu nehmen (in dreifacher Ausfertigung). Nach unbenützter Frist wird Verzicht angenommen. Die Gerichtsferien gelten nicht.
Über die Kosten dieser Verfügung wird mit der Hauptsache entschieden.
Der Abteilungspräsident Eugster
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.